Mit dem 3D-Avatar auf dem Smartphone zur perfekten Rückenhaltung

Benjamin Holmer, Co-Founder der MinkTec GmbH, über Rückschläge durch Corona und ihre revolutionäre Sensortechnologie.

Die Gründer Benjamin Holmer und Tom Schröder (v.l.n.r.) | Foto: MinkTec GmbH

Im Arbeitsalltag kennen wir es alle: Wir sitzen von morgens bis abends vor dem Bildschirm, achten dabei eher weniger auf unsere Haltung und ertappen uns irgendwann selbst dabei wie krumm wir eigentlich sitzen – kein Wunder, dass ein Großteil dann über Rückenschmerzen klagt, oder? Die Gründer Benjamin Holmer und Tom Schröder von der MinkTec GmbH möchten dem Zusammenhang von Haltung und Bewegung in Abhängigkeit zu Rückenschmerzen durch ihr Sensorshirt mit integriertem Sensorstreifen, dem FlexTail ®, genauer auf den Grund gehen. Das Startup, welches 2019 aus dem Institut für Mikrotechnik der TU Braunschweig ausgegründet wurde, bietet ein technologisches Rund-um-Paket: Ein T-Shirt mit integrierter Sensormessung, eine App bei der Kund:innen ihre täglichen Haltungs- und Bewegungsmuster anhand eines 3D-Avatars beobachten können sowie einen individuell zugeschnittenen Trainingsplan, um der schlechten Haltung direkt zielgerichtet entgegenwirken zu können. Wie die Gründer zu ihrem Geschäftsmodell kamen und wie die Corona Krise das erste Investment zum Platzen brachte, haben wir im Interview mit Benjamin Holmer erfahren.

Wenn der studierte Wirtschaftsingenieur Holmer sein Produkt, den folienbasierten, flexiblen Sensorstreifen FlexTail ® visuell erklärt, kommt es dabei zu der ein oder anderen Verrenkung. „Wir entwickeln ein Sensorshirt gegen Rückenschmerzen. In unserem T-Shirt ist ein Sensorstreifen integriert, welcher jede meiner Bewegungen am Rücken dynamisch vermessen kann“, beschreibt uns der Jungunternehmer sein Produkt stehend vor der Webcam. „Jetzt funktioniert das Ganze so, dass ich mir den Sensor in das Oberteil einsetzen und mit einem Druckknopf schließen kann – und Zack fertig“, fügt er begeistert hinzu, während er rückwärtsgewandt seinen Oberkörper bewegt, um zu zeigen, wie der Avatar auf der zugehörigen App die Bewegungen imitiert. Das angezogene High-Tech Oberteil, welches in die Kategorie ‚Smart Clothes‘ fällt, d.h. elektrifizierte bzw. computerisierte Kleidungsstücke, vermisst die Haltung und Bewegung des Rückens, ohne das weitere Zutun der tragenden Person. Wie den ganzen Tag gestanden oder gesessen wurde, können sich die Träger:innen dann auf dem Smartphone ansehen. MinkTec arbeitet zudem schon heute mit einem anderen Startup zusammen, um neben der innovativen Sensortechnologie, die zunächst vorzugsweise Privatkund:innen erwerben können, individuell ausgefeilte Trainingspläne anbieten zu können.

Demonstration des Sensor-Shirts und der App | Abbildung: MinkTec GmbH

Erst die Technologie, dann das Geschäftsmodell oder doch andersherum?

Auf die Frage wie das Gründerteam ursprünglich zu der Produktidee gekommen ist, antwortet Holmer: „Die Produktidee wurde mehr oder weniger durch die sogenannte ‚Brute-Force-Methode‘ entwickelt. Wir hatten die Technologie und haben uns gefragt: Was können wir Vernünftiges damit machen? Dann haben wir sehr viele Gespräche geführt und einiges ausprobiert. Der Rücken schien von Anfang an die vielversprechendste Anwendung zu sein.“ Die Reihenfolge, erst die Technologie zu entwickeln und im Nachhinein ein geeignetes Geschäftsmodell zu identifizieren, sehen Holmer und sein Partner heute nicht unbedingt als die ideale Lösung an. „Wir sind uns im Prinzip einig, dass es eigentlich idealer wäre, wenn man selbst den Use-Case vor Augen hat und dann eine technische Lösung entwickelt. Grade bei High-Tech-Gründer:innen ist es oftmals so, dass diese zwar eine innovative Spitzentechnologie liefern, aber die Schwierigkeit anschließend darin liegt, einen Markt zu finden. Wir hatten bisher Glück und haben überwiegend nur positives Feedback erhalten“, so der Gründer. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass MinkTec mit seinem innovativen FlexTail ® ein Instrument zur Rückenvermessung auf den Markt bringt, welches sowohl wissenschaftliche Untersuchungen zur Korrelation von Rückenschmerzen und Haltung voranbringen möchte als auch individuelle Lösungen für Kund:innen generiert.

Minktec - Anwendungsbereiche der Sensorstreifen

Potenzielle Anwendungsbereiche | Abbildung: MinkTec GmbH

Wie hängen Rückenschmerzen und Haltung zusammen?

Der Geschäftsführer erklärt: „Bisher gibt es kaum bis keine Studien darüber, inwiefern diese beiden Faktoren wirklich miteinander zusammenhängen. Das liegt aber nicht unbedingt daran, dass es diesen Zusammenhang nicht gibt, sondern weil es bisher keine Sensorik gab, die das überhaupt messen konnte.“ Das möchte das Startup zukünftig ändern und mit dem marktreifen Sensorstreifen anonymisierte Daten erheben, um diese wiederum in einer Cloud zu speichern und daraus zielführende, individuelle Rückentrainingspläne für Nutzer:innen bereitzustellen. „Mit unserer Technologie sehen wir die große Chance, die Bewegungs- und Haltungsmuster wissenschaftlich aufzuarbeiten. Beispielsweise hat ein Bandarbeiter, der sich zwar häufig bewegt, dafür aber schwerer und einseitiger körperlicher Belastung ausgesetzt ist, eine andere Symptomatik als jemand, der am Schreibtisch sitzend weniger Belastung ausgesetzt ist, dafür aber auch weniger Bewegung durchführt.“ Die bisherigen Auswertungen mit dem FlexTail ® zeigten, so Holmer, dass die meisten Menschen häufig ein bis zwei Lieblingshaltungen über den Tag einnehmen. Für Privatanwender:innen soll das Produkt ab einen Preis von 150 bis 160 Euro erhältlich sein und zudem über die Krankenkassen bezuschusst werden können. Die Kund:innen müssen dafür nur den zugehörigen Trainingsplan durchführen und erhalten im Anschluss einen Nachweis zur Einreichung bei den Krankenkassen.

Wie die Corona Krise das erste Investment zum Platzen brachte

Durch ihre innovative Sensortechnologie und ihr durchdachtes Geschäftsmodell in Zusammenarbeit mit einem Startup für Rückentraining sowie den Krankenkassen scheinen die MinkTec-Gründer heute vielversprechende Zukunftsaussichten zu genießen. Doch das war nicht immer so, erzählt uns Benjamin Holmer. Das 2019 gegründete Unternehmen wurde, wie so viele Startups, bereits im ersten Jahr mit den wirtschaftlichen Folgen der Corona Krise konfrontiert. Das Team hatte kurz vor der Pandemie einen Investor im Bereich des Arbeitsschutzes an der Hand, welcher das Sensorshirt an verschiedenen Arbeitsplätzen einzusetzen plante, um die Wirbelsäulenbelastung der Mitarbeiter:innen zu testen. „Diese Überprüfung wird normalerweise manuell von Ergonomie-Expert:innen ausgeführt, die sich neben die Person stellen und Checklisten ausfüllen. Der Prozess hätte durch unser Sensorshirt eine Digitalisierung erfahren können, wenn Corona nicht andere Sorgen mitgebracht sowie einen Großteil der Erwerbstätigen ins Home Office geschickt hätte. Ergonomie-Analyse am Arbeitsplatz und Corona – das verträgt sich leider nicht, weshalb der Deal zum Platzen kam“, erinnert sich der Gründer. Trotz des geplatzten Investments ließen sich die Jungunternehmer nicht unterkriegen und nutzten die Zeit, um ihr Produkt für zukünftige Investor:innen noch begeisterungsfähiger zu gestalten. Heute ist das FlexTail ® marktfähig und MinkTec erneut auf Investor:innensuche, um einen Beitrag zur besseren Rückenhaltung durch innovative Sensortechnologie leisten zu können. Das Produkt könnte neben der Privatanwendung zukünftig auch in Bereichen wie z.B. in der Sport- und Fitnessbranche oder als Medizinprodukt in Krankenhäusern und in der Reha eingesetzt werden. Darüber hinaus liegt es nahe, die biegsame Sensortechnologie auch in anderen Anwendungsfeldern zu nutzen, fügt Holmer hinzu: „Die Technologie könnte bald zur Standardausstattung eines Werkzeugkastens gehören und dabei helfen, jede geschwungene Form schnell und einfach zu vermessen. Beispiele sind unter anderem die Messung von Rohrbögen oder die digitale Mensch-Maschine-Interaktion. Diese erfordert immer intelligente Sensoren, die unterschiedliche Körperbewegungen genau erfassen können. In diesem Anwendungsbereich könnte unsere FlexTail ® -Technologie eine Schlüsselrolle spielen.“

MinkTec GmbH

Gründer:
Benjamin Holmer, Tom Schröder

Gründungsjahr:
2019

Branche:
Mikrotechnik, Sensortechnologie

Weitere Infos:
MinkTec – Profilseite

Zur Website:

Minktec Logo
Tamie Gillner

Autorin

Tamie Gillner

t.gillner@itubs.de | 0531 209 700 18