Transparenz, Fehlerkultur, gemeinsame Organisation und wirtschaftliches Denken.

Was sind die Top Learnings, die man als CEO eines Biotech-Startups im Antikörperbereich aus über einem Jahr Pandemie mitnehmen kann? Und was sollten Gründer:innen im Forschungsumfeld unbedingt beachten? Wir haben mit Pascal Milfeit, einem der beiden Geschäftsführenden der Abcalis GmbH, einer Ausgründung aus dem Institut für Biochemie, Biotechnologie und Bioinformatik der Technischen Universität Braunschweig, gesprochen und spannende Einblicke sowie Tipps für Gründungsbegeisterte erhalten.

Biotech-Startups sind nicht zuletzt durch die Corona Pandemie seit über einem Jahr in aller Munde und haben das öffentliche Interesse in Bezug zur Impfstoff-, Medikamenten- und Antikörperforschung sowie die Hoffnungen auf eine Rückkehr zur Normalität auf sich gezogen. Innovative Unternehmen wie BioNTech aus Mainz, CureVac aus Tübingen oder die aus Braunschweig stammenden Startups Abcalis GmbH, YUMAB GmbH oder die CORAT Therapeutics GmbH können wohl als Gewinner der Krise bezeichnet werden. Denn die Startups haben durch ihre Forschung und ihre Technologien bewiesen, wie bedeutsam und lebensnotwendig die Wissenschaft in diesem Bereich ist und wie schnell diese beispielsweise durch eine globale Pandemie zu einem brandaktuellen Thema werden kann. Das hinter den Biotechnologieunternehmen Gründer:innen aus dem universitären Forschungsumfeld stehen, die den Schritt aus der Wissenschaft in die Wirtschaft wagen, zeigt einmal mehr wie wichtig die Förderung von innovativen Lösungsansätzen für zukünftige Problemszenarien ist. Neben dem wissenschaftlichen Know-how sind die Forscher:innen aber auch mit den Herausforderungen des Gründungsdaseins konfrontiert. Pascal Milfeit, der als Mitgründer und Geschäftsführer bei der Abcalis GmbH in Braunschweig für die Bereiche Marketing und Finanzen zuständig ist, hat mit uns über seine Learnings gesprochen und uns verraten was er seinem Ich aus der Vergangenheit heute raten würde.

#1 – Transparenz, Offenheit und Fehlerkultur.

„Was auf jeden Fall hilft, ist, wenn alle gemeinsam das Team auf eine Spur bringen und eine Kultur etablieren, in der man jetzt nicht die Befürchtung haben muss, man kriegt jetzt gleich einen auf den Deckel, weil man das sagt was man sagen möchte.“

Transparenz und Offenheit habe das Abcalis-Team schon früh angewandt, so Pascal, der Wirtschaftsingenieurswesen an der TU Braunschweig studierte und etwa sechs Monate nach Start des EXIST-Förderprogramms durch das Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) zum Braunschweiger Startup dazu gestoßen ist. Hierzu zähle auch eine gelebte Fehlerkultur, welche mit offener Kommunikation einhergehe und die er von Anfang an im Team wahrgenommen habe.

#2Gemeinsame Organisation.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, führt er weiter aus, ist die gemeinsame Organisation:

„Ich kann mich daran erinnern, als ich zum Projekt dazu gestoßen bin, dass wir ein Kanban-Board mit Post-its hatten, dass physisch im Institut hing. Denn es hilft einfach Dinge abzubilden und jeden darüber zu informieren was macht Person A, B, C jetzt und ist der jetzt am Thema X, Y oder Z dran. Und im Zuge von Corona haben wir das dann relativ schnell digitalisiert und das agile Arbeiten weiter professionalisiert, weil nicht immer alle wegen Home Office und Schichtbetrieb im Institut sind.“

Einfach und schnell Strukturen durch digitale Tools etablieren, die die gemeinsame Organisation erleichtern, ist daher eine zentrale Lehre im Gründungsprozess und während Corona gewesen, wozu er anderen nur raten könne.

#3Wirtschaftlichkeitsgedanke.

Das dritte Top Learning sei der Wirtschaftlichkeitsgedanke, der auch für die Gründer:innen aus dem wissenschaftlichen Kontext eine bedeutende Rolle spielt. Während die Abcalis GmbH zwar durch den EXIST-Forschungstransfer des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) in der ersten Phase finanziert wurde und die Bewerbung zur zweiten Förderungsphase im vollen Gange ist, sollte sich trotz alledem vor Augen geführt werden, dass es sich bei einem universitären Spin-Off nicht um ein klassisches Forschungsprojekt handelt.
Eine Ausgründung muss von vornherein die realen materiellen Verbräuche, Energiekosten, Personalstunden, etc. erfassen, um daraus unteranderem die Kosten für die Produktion und letztlich auch Preisniveaus abzuleiten. In einem Forschungsprojekt spielen die zuvor genannten Kennzahlen eine eher untergeordnete Rolle, da sie für das Forschungsziel inhaltlich keinen Mehrwert liefern. „Das geht natürlich bei einem Unternehmen nicht auf Dauer“, so der Finanzexperte des Startups. Daher sein Rat aus heutiger Perspektive:

„Denke auch selber von vornherein wirtschaftlicher! Im Sinne von: Lass die Leute dokumentieren was sie beispielsweise verbrauchen. Also natürlich kamen wir irgendwann auch an den Punkt, wo wir auch einfach mal unsere Produktionskosten berechnen mussten, um eben einen Preis für unsere Antikörper zu finden. Das hat man im klassischen Forschungsprojekt eher nicht. Aber wir müssen natürlich gucken: Wie viel können wir denn beispielsweise aus 50.000 Euro machen? Was ist das als Größe? Sozusagen im Sinne von: Wie viele Prototypen kriegen wir damit entwickelt und auf welche Kosten können wir uns später im Unternehmen einstellen? Und da hätten wir glaube ich etwas früher anfangen können zu dokumentieren, was wir wirklich an Kostengrößen haben. Da das als Wirtschaftsingenieur des Teams vorrangig meine Bringschuld ist, würde ich meinem früheren Ich daher mehr Selbstbewusstsein und positiven Tatendrang ans Herz legen, diese Themen ohne Zögern anzusprechen und dann als Team anzugehen. Hier habe ich mich zu sehr von meiner Unkenntnis über die biologisch-technischen Details abschrecken und einschüchtern lassen.“

Neben diesen drei Lehren ergänzt der Abcalis-CEO, dass alle Teammitglieder im Laufe der Zeit trotz ihrer Interdisziplinarität immer mehr Fingerspitzengefühl für die bestmögliche Integration der Stärken jedes Einzelnen in das Gesamtkonzept entwickelt haben. Aus diesem Grund sollte sich jede:r im Gründungsprozess darauf einlassen auch unliebsame Themen anzugehen, sodass sich beispielsweise Forschende auch mit den wirtschaftlichen Aspekten des Gründens auseinandersetzten und umgekehrt, da dies langfristig unvermeidbar sei und Wege gefunden werden sollten die überfachlichen Kompetenzen zu schärfen.

Abcalis GmbH

Gründer:innen:
Prof. Dr. Stefan Dübel (Advisor and Mentor)
Dr. Laila Al-Halabi-Frenzel (CEO Science)
Pascal Milfeit (CEO Marketing/Finance)
Dr. Giulio Russo (Research and Development)
Dr. Esther Wenzel (Product Management)

Gründungsjahr:
2019

Branche:
Biotechnologie

Weitere Infos:
Abcalis – Profilseite

Zur Website:

Abcalis GmbH Logo